Allianz-Chef Rémi Vrignaud und Peter Winkler im Interview: Warum der Kunde im Schadenprozess in den Fokus rückt
Der Schadenprozess ist im Wandel. Die Kundenperspektive im Fokus. Im Interview zum Thema diskutieren Vorstandsvorsitzender Rémi Vrignaud der Allianz Österreich und Peter Winkler, CEO faircheck.
Rémi Vrignaud, bei der Allianz begann Ihre Karriere 2001. Seit 2017 sind Sie Vorstandsvorsitzender in den österreichischen Allianz Versicherungsgesellschaften. Welche besonderen Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Rémi Vrignaud: Als ich im Jahr 2001 als Assistent des damaligen Vorstandsvorsitzenden Wolfram Littich zur Allianz gekommen bin, befand sich das Unternehmen in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Seither hat es eine notwendige und zukunftsorientierte Transformation durchgemacht und sich zu einem soliden Unternehmen entwickelt. Prozesse, Portfolios, Kundenverständnis und vieles mehr wurden auf neue Beine gestellt.
Heute agieren wir aus einer Position der Stärke.
Rémi Vrignaud
Konkret wurde zum Beispiel ein innovatives IT-System aufgebaut, das heute Benchmark und Vorbild in der internationalen Allianz Gruppe ist. All diese Entwicklungen „erste Reihe fußfrei“ mitzuerleben, war sehr spannend. In unterschiedlichen Funktionen – vor allem im Bereich Schaden/Unfall – durfte ich die Allianz elf Jahre lang begleiten, bevor ich 2012 den Vorstandsvorsitz der Allianz in Rumänien übernahm und später das CEO-Office der Allianz SE leitete. Heute, zurück in der Allianz Österreich als CEO, stellen sich ähnliche zukunftsorientierte Fragen wie damals. Heute agieren wir allerdings aus einer Position der Stärke. Vieles wurde richtig aufgesetzt, die Grundsteine wurden gelegt. Darauf bauen wir auf. Nun gilt es, das Unternehmen für eine moderne, kundenorientierte Zukunft auszurichten. Dabei geht es für uns vor allem um die Steige-rung der Wettbewerbsfähigkeit und profitables Wachstum.
Peter Winkler, Sie waren bis 2002 in leitenden Positionen bei der Allianz. Die Wege zwischen Ihnen und Rémi Vrignaud haben sich für kurze Zeit gekreuzt…
Peter Winkler: Wir haben uns kennengelernt als Rémi Vrignaud 2001 zur Allianz wechselte und als Assistent des Vorstandsvorsitzenden Wolfram Littich startete. Die ersten Monate haben wir gemeinsam verbracht. Damals war ich für die Allianz Kundenservice GmbH als Geschäftsführer verantwortlich und wir haben Maßnahmen zur Optimierung der Verwaltung in die Wege geleitet.
Welche Maßnahmen wurden damals im Konkreten gesetzt?
Peter Winkler: Die gesamte Verwaltung haben wir auf einen Standort plus drei externe Standorte zusammengezogen und ein Costumer Care Center errichtet, welches prozessorientiert die Vertrags- und Schadenbearbeitung abwickelt. Der Risiken und Probleme, die es damals bei der Umsetzung gab, waren wir uns bewusst. Es war ein spannendes Projekt und der allererste Costumer Care Center Ansatz in Österreich. Im Vorfeld wurde als Grundvoraussetzung die gesamte IT-Landschaft verändert und die organisatorische Basis für die Standortzusammenlegung geschaffen.
Es war ein spannendes Projekt und der allererste Costumer Care Center Ansatz in Österreich.
Peter Winkler
Wie haben sich die Ergebnisse nach dem Aufbau des Costumer Care Centers entwickelt?
Rémi Vrignaud: Peter Winkler war Geschäftsführer des neu ge-gründeten Allianz Kundenservice, in dem die wohl bisher stärks-te Transformation vollzogen wurde. Schaden und Vertrieb wurden prozessual voneinander getrennt und zentral aufgestellt. Gleichzeitig wurde eine Kundenfokussierung institutionalisiert und Prozes-se sowie Maßnahmen dahingehend aufgebaut. Damals wurde der Grundstein für das Allianz Kundenservice, wie wir es heute kennen, gelegt.
Damals wurde der Grundstein für das Allianz Kundenservice, wie wir es heute kennen, gelegt.
Rémi Vrignaud
Haben andere Versicherer das Konzept ähnlich übernommen?
Peter Winkler: Die Uniqa hat beispielsweise nachgezogen.
Rémi Vrignaud: Uniqa und Generali haben ähnliche Ansätze gewählt. Damals wie heute geht es um Wettbewerbsfähigkeit, wenngleich auch die Art der Implementierung von Lösungen in dieser Hinsicht viel stärker im Fokus steht. Jedes Unternehmen geht hier einen eigenen Weg. Im Großen und Ganzen ähneln sich diese dann aber doch. Denn letztendlich ist alles auf den Kunden ausgerichtet und dieser hat in der Regel dieselben Bedürfnisse, Wünsche und Ansprüche an eine Versicherung.
2018 hat die Allianz den Global Claims Review veröffentlicht, der zeigt, dass Feuerschäden im Vergleich zu Naturkatastrophen in der Versicherungswelt eine erhöhte Relevanz haben. Wie wird die zukünftige Entwicklung aussehen?
Peter Winkler: Grundsätzlich sind Naturkatastrophen weniger häufig versichert. Naturkatastrophen werden in Zukunft lokaler, aber häufiger. Ähnlich wie bereits dieses Jahr die Schneesituation Anfang 2019 in Österreich gezeigt hat, werden uns Natur-Schadenereignisse häufiger begleiten – auch medial.
Rémi Vrignaud: Auch Naturkatastrophen haben in den vergangenen Jahren verheerende Schäden verursacht. Doch die mit Abstand größte Anzahl an Versicherungsfällen weltweit meldeten Unternehmen aufgrund von technischen und menschlichen Faktoren. Häufigster Schadenauslöser waren eben Feuer und Explosion. Laut Allianz Global Claims Review würden vor allem die Feuerschadenbedingten Betriebsunterbrechungen die Schäden in die Höhe treiben. Was für den Kunden noch hinzukommt: Bei Naturkatastrophen hat er meist keinen (oder nur minimalen) Einfluss. Bei Feuerschäden hingegen sind oft die eigenen Vorkehrungen und Investitionen des Kunden in Sicherheit und Ausbildung ein großes Thema. Sicherheits- und Vorsorgebewusstsein sind hier somit ein wesentlicher Faktor.
Naturkatastrophen werden in Zukunft lokaler, aber häufiger.
Peter Winkler
Gibt es hier Chance für ein Versicherungsprodukt?
Peter Winkler: Die Versicherungswirtschaft hat den Grundstein gelegt, um eine Pflichtversicherung für Naturkatastrophen einzuführen. Die Politik hinkt hinterher. Hier gibt es aber Bemühungen Seitens des Versicherungsverbandes.
Rémi Vrignaud: Eine faire und rechtlich klare Lösung ist längst ausgearbeitet. Die Politik ist am Zug, dem Konsumenten Rechtssicherheit und eine durchgängige Versicherung anzubieten und zu ermöglichen. Stichwort Schadenregulierung.
Die Politik ist am Zug, dem Konsumenten Rechtssicherheit und eine durchgängige Versicherung anzubieten und zu ermöglichen.
Rémi Vrignaud
Wie soll sich der Versicherer rüsten, um auf vermehrte Schadenereignisse, die aufgrund von Klimawandel & Co passieren, zu reagieren?
Peter Winkler: Gerade im Massenschaden ist es wichtig, dass man zusammenarbeitet. Wenn man an Dienstleister denkt, wird es wichtig sein, diese zu vernetzen, um die Ressourcen, die im Massenschadenfall benötigt werden, zu beschaffen und nicht einfach auf seine eigenen Ressourcen zurückzugreifen, die in dieser Menge gar nie vorhanden sein können. Die wesentliche Herausforderung wird die Vernetzung von Dienstleisterressourcen sein – von Digitalisierung möchte ich an dieser Stelle noch gar nicht sprechen. Im ersten Schritt geht es um die Vernetzung von Dienstleistern und Versicherungen untereinander. Beispielsweise könnte ein Dienstleister, der noch Ressourcen zur Verfügung hat, über eine Plattform gebucht werden.
Im Massenschadenfall wird die wesentliche Herausforderung die Vernetzung von Dienstleisterressourcen sein – von Digitalisierung möchte ich an dieser Stelle noch gar nicht sprechen.
Peter Winkler
Welche Maßnahmen in der Schadenregulierung sind seitens der Allianz derzeit gesetzt, um für Massenschäden gerüstet zu sein?
Rémi Vrignaud: Massenschäden an sich sind nichts Neues. Wir haben ausgezeichnete, kundenorientierte Prozesse und sind hier am besten aufgestellt. Die Zukunft liegt meiner Meinung nach in sehr objektiven, digitalen Prozessen, wo der Kunde hohe Qualität in einer sehr hohen Geschwindigkeit bekommt. Schadenregulierer spielen als verlängerter Arm des Versicherers in der Spezial-Ressourcenabdeckung, aber genauso in Fragen von Spezial-Know-how eine sehr wichtige Rolle. Gerade im Massenschaden wird es auf die „convenience“ und Leichtigkeit einer Schadenregulierung ankommen.
Gerade im Massenschaden wird es auf die „convenience“ und Leichtigkeit einer Schadenregulierung ankommen.
Rémi Vrignaud
Wie soll Ihrer Meinung nach das Kundenerlebnis im Schadenfall in Zukunft aussehen?
Peter Winkler: Es müssen ausreichend Ressourcen vorhanden sein und es muss effizient – Sichtwort Datenerfassung – gearbeitet werden. Das Kundenerlebnis muss so aussehen, dass Schadenregulierung ohne Wenn und Aber funktioniert. Wenn ich als Kunde einen Schaden erleide, dann muss die Wiederherstellung übergreifend funktionieren – egal ob Handwerker, ob Versicherer, ob Sachverständiger oder ob Restitutionsmanagement agieren. Es muss funktionieren. Nach 1 bis 2 Wochen sollte der Kunde auch nach einem Katastrophenschaden wieder „Normalzustand“ haben, ohne selbst alles organisieren zu müssen.
Rémi Vrignaud: Geschwindigkeit und Reibungslosigkeit in Kombination mit voller Transparenz, wie man es etwa von Postsendungsverfolgungen kennt, werden künftig selbstverständlich sein. Bei aller digitaler Beteiligung und Abwicklung halte ich es aber gerade im Schaden für absolut wichtig, auf den Faktor Mensch zu setzen, also „von Mensch-zu-Mensch“. Insbesondere dann, wenn der Kunde im unmittelbaren Schadenfall Hilfe und dringende Unterstützung sucht. Denn hier geht es um Emotion.
Gerade im Schaden halte ich es für absolut wichtig, auf den Faktor Mensch zu setzen, also „von Mensch-zu-Mensch“.
Rémi Vrignaud
Wie sieht Ihre Vision 2025 aus bzw. was möchten Sie in den nächsten Jahren bewegen? Vielleicht können Sie uns einen kurzen Ausblick geben?
Rémi Vrignaud: Neben dem Zugewinn von Marktanteilen ist es unser Ziel, die Allianz für die nächsten Jahre dahingehend zu transformieren, dass unsere Kunden für ihre Prämie eine absolut moderne, unproblematische und schnelle Lösung bekommen – bei Vertragsabschluss wie auch im Schadenfall. Sie sollen schlichtweg begeistert sein: Wir wollen mehr als das bieten, was sie sich erwarten. Dazu müssen wir Kundensprache und nicht Versicherungssprache verwenden, Komplexitäten eliminieren und einfache Produkte, Prozesse und Lösungen anbieten – und zwar in einer Sprache und Art und Weise, die sich Kunden von heute erwarten. Es geht dabei in jeglicher Hinsicht um Einfachheit und Geschwindigkeit.
Vielen Dank für das Interview.
Aktives Schadenmanagement – Sachversicherer müssen mehr agieren….
Ein Artikel von assCompact Studie: Sachversicherer müssen Schäden aktiver angehen bringt die Sache auf den Punkt.
Viele Versicherer geben sich damit zufrieden, die Schadennummer online bekannt zu geben.
Da gibt es eindeutig mehr, was Geld und Kundenzufriedenheit bringt!
Der faircheck-Kundenprozess ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung gewesen, wir haben die besten Erfahrungen für Kunden, Versicherer und unsere SchadenreguliererInnen gemacht.
Fast Lane als rasche Schadenerledigung wird ein neues faircheck-Produkt, sprechen Sie uns darauf an.